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Auf zu neuen Ufern - oder alter Wein in neuen Schläuchen?

Zur Pilotierungsphase des Modellprojekts "BFS-Dual" an berufsbildenden Schulen

Das Kultusministerium hat ein neues Modellverfahren im Bereich der einjährigen Berufsfachschulen gestartet. Die „BFS-Dual“ soll die bisherige einjährige Berufsfachschule bei erfolgreicher Implementierung ablösen. Mehr Praxisorientierung soll helfen, den Schülerinnen und Schülern eine bessere Orientierung beider Berufswahl im Dualen System beziehungsweise beim Besuch einer weiterführenden Fachoberschule zu geben.

In dem Pilotprojekt, an dem bisher zwei berufsbildende Schulen teilnehmen, wird es künftig eine Aufteilung in zwei Zweige geben: Der B-Zweig soll auf eine mögliche Ausbildung im Dualen System hinführen und vorwiegend berufsbezogene Kompetenzen vermitteln. Der F-Zweig hat die Zugangsberechtigung für die Fachoberschule als mögliches Ziel.

Die Zeit bis zu den Herbstferien wird im Klassenverbund stattfinden und eine Grundbildung nach dem Vorbild der Standardberufsbilder vermitteln. Nach den Herbstferien ist je nach Wahl des Zweiges der Schulbesuch durch die praktische Mitarbeit in den Betrieben auf zum Beispiel nur noch drei Tage beschränkt.

Am Ende der Schulzeit findet eine Prüfung im allgemeinbildenden Bereich sowie in der beruflichen Fachrichtung statt, so dass ein erweiterter Sekundarabschluss I erworben werden kann.

Umfangreiche regelmäßige Coaching-beziehungsweise Beratungsangebote sollen bei der Entscheidung bezüglich des Besuchs des F- oder B-Zweigs unterstützen sowie zielgenaue Entscheidungen zur Berufswahl ermöglichen. Für den 1. Februar 2023 wurde geplant, die Kommissionsarbeit für die Profile aufzunehmen; beteiligt werden daran die teilnehmenden Personen der Modellschulen. Eine Erweiterung des Modellversuches für die Schuljahre 2023 bis 2025 ist geplant – unklar bleibt, wie die beteiligten Schulen dafür ausgewählt werden.

Die fortlaufende Evaluation und Kommissionsarbeit wird die GEW kritisch begleiten und hinterfragen: Unklar ist beispielsweise, von welchem Ausgangspunkt evaluiert werden soll und welche Kriterien zugrunde gelegt werden. Außerdem bleibt die Frage, wie und wo diese Kriterien einzusehen sind. Nach welchen Gesichtspunkten wurden zum Beispiel die Modellschulen ausgewählt?

Insbesondere die Konzipierung und Implementierung von „Beratung und Coaching“ als zusätzliche Aufgabe oder neues Unterrichtsfach für die begleitende Lehrkraft – mit nur einer Stunde pro Woche – erscheint so nicht als ausreichend. Handelt es sich um Coaching als professionelles Unterstützungskonzept zur individuellen Persönlichkeits- und Lernentwicklung (vgl. unter anderem das Schülercoaching nach dem Mündener Modell) oder um ein klassenbezogenes Jobfit-Training (wie das Jobfit-Programmnach Petermann)? Inwieweit können Unterrichtsstunden nur mit einzelnen Lernenden in Form von lösungsorientierten Coachinggesprächen durchgeführt und die anderen Klassenmitglieder im Distanzunterricht begleitet werden oder in welchen Formen sollen in einem möglichen Unterrichtsfach Leistungen der Lernenden bewertet werden. Grundsätzlich sind bei Beratung beziehungsweise Coaching die Prinzipien Freiwilligkeit und Bewertungsfreiheit zu berücksichtigen, wie soll also mit diesem Dilemma bei einem möglichen Unterrichtsfach umgegangen werden?

Fünf zusätzliche Anrechnungsstunden für die Durchführung pro Schule sind sicherlich positiv zu bewerten. Aber zu einer qualitativ guten und erfolgreichen Konzipierung und Implementierung einer neuen Schulform erscheint diese Stundenzahl zu niedrig.