Ampelkoalition ist auf GEW Kurs
Die Pläne für den Bereich Erwachsenen- und Weiterbildung im Koalitionsvertrag wecken Hoffnung - etwa die Fortführung der nationalen Weiterbildungsstrategie und die lang geforderte Stärkung der politischen Bildung.
Viele Ankündigungen des Koalitionsvertrags für den Bereich Erwachsenen- und Weiterbildung decken sich mit den Forderungen der GEW. Insbesondere die Fortführung der nationalen Weiterbildungsstrategie mit einem Schwerpunkt auf die allgemeine Weiterbildung, die Verbesserung der Arbeitssituation der Beschäftigten in den Integrationskursen und eine lang geforderte Stärkung der politischen Bildung lässt hoffen.
Es kommt jetzt darauf an den Umsetzungsprozess zu begleiten und auf Fallstricke und Lücken hinzuweisen. Hierfür ist die GEW mit ausgearbeiteten Positionen und Konzepten zu den einzelnen Forderungen sowie zu deren Finanzierung gut gerüstet.
Im Folgenden haben wir den Koalitionsvertrag auf eben diese Forderungen überprüft:
Fortführung der nationalen Weiterbildungsstrategie mit einem Schwerpunkt allgemeine Weiterbildung
- „Der Mangel an qualifizierten Fachkräften in vielen Branchen kann eines der größten Hindernisse für Wirtschaftswachstum, für die Sicherung von Wohlstand, eine hohe Qualität in Gesundheit, Pflege, Betreuung und Bildung sowie für das Gelingen der Transformation in Deutschland sein. Die Bundesregierung wird daher ihre Fachkräftestrategie und die Nationale Weiterbildungsstrategie weiterentwickeln.“
- „In Zeiten des digitalen und demografischen Wandels ist eine gezielte Nationale Weiterbildungsstrategie wesentliche Voraussetzung, um unsere wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Ziele zu erreichen.“
- „Die Anerkennung informell, non-formal oder im Ausland erworbener Kompetenzen werden wir vereinfachen und beschleunigen. Mögliche Förderlücken wollen wir schließen. Die Nationale Weiterbildungsstrategie wollen wir mit einem stärkeren Fokus auf die allgemeine Weiterbildung fortsetzen.“
GEW: Zentrale Forderungen der GEW, die auf der GEW Herbstakademie 2021 in Hagen kurz vor der Wahl formuliert und gegenüber der Politik vorgetragen wurden, finden sich in den obigen Passagen: die Fortführung der Nationalen Weiterbildungsstrategie mit einem stärkerem Fokus auf die allgemeine Weiterbildung und die Anerkennung nonformaler oder informell erworbener Kompetenzen.
Hierzu hat die GEW gemeinsam mit den anderen Gewerkschaften im DGB ein Positionspapier entwickelt, das eine sehr gute Grundlage für die Erörterung in den Foren der Nationalen Weiterbildungsstrategie sein wird. Darüber hinaus hat die GEW umfassende Beschlüsse (nachzulesen in den GEW Beschlüssen 2021 und 2017) zu folgenden Themen vorliegen: Grundbildung, Zweiter Bildungsweg und DaF-DaZ Kurse.
- „Mit einem Förderprogramm für Volkshochschulen und andere gemeinnützige Bildungseinrichtungen investieren wir in digitale Infrastruktur. Die Umsatzsteuerbefreiung für gemeinwohlorientierte Bildungsdienstleistungen wollen wir europarechtskonform beibehalten. Wir werden Angebote zur Alphabetisierung ausbauen.“
GEW: Hiermit wird jetzt endlich auch die vierte Säule des Bildungssystems, die Weiterbildung, in die digitale Strategie der Bundesregierung mit aufgenommen. Die GEW fordert schon seit langem einen Digitalpakt Weiterbildung und einen Ausbau der Angebote zur Alphabetisierung. Zur Umsetzung liegen fundierte Positionspapiere der GEW vor, die wir in die Erörterung mit der Bundesregierung einbringen werden.
Verbesserung der Arbeitssituation der Beschäftigten in der Weiterbildung
- „Für eine möglichst rasche Integration wollen wir für alle Menschen, die nach Deutschland kommen, von Anfang an Integrationskurse anbieten. Die Kurse müssen passgenau und erreichbar sein. Die Bedingungen für Kursträger, Lehrende und Teilnehmende wollen wir verbessern.“
GEW: Eine Verbesserung für die Lehrenden in Integrationskursen ist dringend nötig, sie reicht aber alleine nicht aus. Für alle in Weiterbildung Tätigen müssen die Bedingungen verbessert werden, um zumindest dem Niveau von Beschäftigten in anderen Bildungsbereichen nahe zu kommen (siehe auch GEW Beschluss 2021 2.18).
Vor allem die im öffentlichen Auftrag Beschäftigten haben äußerst prekäre Arbeitsbedingungen – darauf hat die GEW immer wieder hingewiesen. Hierzu gibt es eine Vielzahl von Vorschlägen der GEW und zu deren Umsetzung und Finanzierung, die wir an die Bundesregierung herantragen werden.
Stärkung der politischen Bildung
- „Wir werden das aktive Wahlalter für die Wahlen zum Europäischen Parlament auf 16 Jahre senken. Wir wollen das Grundgesetz ändern, um das aktive Wahlalter für die Wahl zum Deutschen Bundestag auf 16 Jahre zu senken.“
- „Wir wollen die politische Bildung und die Demokratiebildung entlang der Bildungskette stärken, die Projektmittel der Bundeszentrale für politische Bildung erhöhen und die Unabhängigkeit ihrer Arbeit achten.“
- „Den Nationalen Aktionsplan zur Bildung für nachhaltige Entwicklung wollen wir in allen Bildungsphasen und -bereichen bundesweit verankern und deutlich stärken. Wir wollen auch Schülerfirmen als Bestandteil von Bildung für Nachhaltige Entwicklung fördern.“
GEW: Dies alleine dürfte nicht ausreichen. Mit der Hofgeismarer Erklärung 2018 und der Schweriner Erklärung 2020 hat die GEW einen umfassenden Forderungskatalog zur Stärkung der politischen Bildung – von der frühkindlichen Bildung bis hin zur Schule und bis zur Senior:innenbildung – vorgelegt, mit dem wir der neuen Bundesregierung noch einige Tipps zur Stärkung der politischen Bildung auf den Weg geben können.
Fazit
Insbesondere bei der Arbeitssituation für die Beschäftigten in der Weiterbildung hätten wir uns mehr Verbindlichkeiten und konkretere Aussagen gewünscht, aber Anknüpfungspunkte sind da.
Es gibt für uns noch vieles zu tun. Gerade auf die Finanzierungsfragen blicken wir mit Besorgnis, haben sich die Ampel-Parteien auf keine konkreten Ausgabenhöhen noch Finanzierungswege im Bildungsbereich verständigt. Fortschritt kann jedoch nur gelingen, wenn die Investitionen in Bildung erheblich gesteigert werden. Aber im Gegensatz zu der Großen Koalition gibt es bei der Ampel viele Absichtserklärungen, die in unsere Richtung gehen und auf die wir aufbauen können. Wir können jetzt zuversichtlicher und mit mehr Elan in die politischen Auseinandersetzungen der nächsten Jahre gehen.
*Alle kursiv gesetzten Passagen sind wörtlich aus dem Koalitionsvertrag entnommen.