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AG Courage gegen Rechts: „politische Nothilfe für Demokratie“

Preisverleihung an Andrea Röpke am 7. September

Sie ist die führende Investigativ-Journalistin im Themenfeld extreme Rechte. Und das über einen Zeitraum von mehr als 20 Jahren. Zahlreiche renommierte Preise hat sie für ihre mutige und engagierte Arbeit in der Vergangenheit erhalten.

Am 7. September 2022 kommt ein weiterer Preis hinzu: an diesem Tag erhält Andrea Röpke den „Courage gegen Rechts“-Preis des GEW-Landesverbandes. Im Rahmen einer feierlichen Veranstaltung im Kulturzentrum Pavillon in Hannover wird der Preis vom neu gewählten GEW- Vorsitzenden Stefan Störmer überreicht werden. Musikalisch abgerundet wird die Preisverleihung von der Band Bejarano & Microphone Mafia, der Band, mit der die vor knapp einem Jahr verstorbene Auschwitzüberlebende und engagierte Antifaschistin Esther Bejarano zahllose Konzerte gegeben hat.

Wie alles anfing

Ein Seminar an der Bremer Universität, an dem Andrea Röpke Politikwissenschaften studierte, stellte die Weichen für die Themen, die sie zu ihrem journalistischen Schwerpunkt gemacht hat. Rückblickend schildert sie: „Es gab einen Kurs ‚NS-Täterkarrieren nach 1945‘. Das fand ich richtig spannend. Ich habe Bücher gewälzt und geschaut, wo die NS-Täter heute sind. ... In Bremen und Niedersachsen waren einige aktiv. Ich bin auf die ‚Stille Hilfe‘ gestoßen.“1 Offiziell ging es bei der „Stillen Hilfe“ um die Betreuung von NS-Kriegsverbrechern, deren Unterstützung mit Geld und Anwälten sowie das Einreichen von Gnadenerlassen. Doch im Hintergrund wurde die nachwachsende Generation einschlägig geschult und die politische und finanzielle Staffelübergabe eingeleite. Buchstäblich zehn Jahre recherchierte Andrea Röpke zu dieser Organisation, bis sie zusammen mit Oliver Schröm im Jahre 2001 das Buch „Stille Hilfe für braune Kameraden. Das geheime Netzwerk der Alt- und Neonazis. Ein Insider-Report“ publizierte. Dabei war der Untertitel „Ein Insider-Report“ wahrlich nicht übertrieben! Denn für ihre Recherchen schmuggelten sich Röpke und Schröm bei SS-Veteranentreffen ein, getarnt als brauner Führungsnachwuchs. Sogar eine Audienz bei der Tochter Heinrich Himmlers, Gudrun Burwitz, der zeitweiligen Führungsikone der Stillen Hilfe, gelang ihnen im Rahmen dieser Maskerade. „Der Report überzeugt durch die dichte Machtfülle und die spürbare Intimkenntnis der Szene, Ergebnis der Ermittlungen vor Ort“, lobte die Zeitschrift „Antifa“ die Buchveröffentlichung, und die Rhein-Zeitung konstatierte: „Andrea Röpke und Oliver Schröms haben der Demokratie mit ihrem brisanten Zeitzeugnis einen Dienst erwiesen.“2

Umfangreiche Publikationstätigkeit

Nach diesem ersten Bucherfolg entfaltete Andrea Röpke eine kaum mehr zu überschauende Publikationstätigkeit. Neben unzähligen Fachartikeln in Zeitungen und Zeitschriften (SZ, taz, Spiegel, Stern, Focus und so weiter) sowie TV- und Internetbeiträgen (Panorama, Fakt, Spiegel TV) veröffentlichte sie (zum Teil in Kooperation mit dem Journalisten Andreas Speit) eine Vielzahl an Büchern speziell zum Themenbereich extreme Rechte. Buchtitel wie „Braune Kameradschaften. Die neuen Netzwerke der militanten Rechten“ (2004), „Wir erobern die Städte vom Lande her. Schwerpunktaktivitäten der NPD und Kameradschaftsszene in Niedersachsen“ (2005), „Ferien im Führerbunker. Die neonazistische Kindererziehung der ‚Heimattreuen Deutschen Jugend‘ (HDJ)“ (2007), „Blut und Ehre. Geschichte und Gegenwart rechter Gewalt in Deutschland“ (2013), „Jahrbuch rechte Gewalt. Chronik des Hasses“ (2018 und
2019) sowie „Völkische Landnahme. Alte Sippen, junge Siedler, rechte Ökos“ (2019) sind beredte Beispiele. Frühzeitig beschäftigte sich Andrea Röpke auch mit einem Thema, das sowohl in den Sicherheitsbehörden wie der breiten Öffentlichkeit durchweg unterschätzt wurde: der Radikalität und der Bedeutung von Frauen in der extrem rechten Szene. Lange Zeit herrschte das Vorurteil vor, dass Frauen allenfalls Mitläuferinnen seien und politische Radikalität
eher Männersache sei. Mit diesem Mythos räumte sie in den beiden Büchern „Retterin der weißen Rasse. Rechtsextreme Frauen zwischen Straßenkampf und Mutterrolle“ (2006) und „Mädelsache! Frauen in der Neonazi-Szene“ (2011) gründlich auf.

Klagen, körperliche Angriffe

Es kann kaum verwundern, dass Andrea Röpke aufgrund ihrer investigativen Recherchen über die Strukturen, Strategien und Aktionsformen der extrem rechten Szene von dieser nicht nur diffamiert, sondern regelrecht zum Hassobjekt aufgebaut wurde. In der neurechten Zeitung „Junge Freiheit“' wurde ihr vorgeworfen: „Die Diplom-Politologin will nicht nur berichten, sondern aktiv ins Geschehen eingreifen.“ Das sei vor allem deshalb verwerflich, da sie angeblich „selbst über beste Kontakte zur linksextremen Szene verfügt“3, Mitglied der VVN BdA sei und außerdem für das antifaschistische Magazin „Der Rechte Rand“ schreibe. Derartige Vorwürfe sind sicherlich zu verschmerzen; ärgerlicher waren da schon die zahlreichen Klagen und Prozesse von Nazi-Kadern, die in ihren Büchern namentlich genannt wurden und die versuchten, sich juristisch gegen die unerwünschte Aufmerksamkeit zu wehren. Doch auch vor unmittelbarer körperlicher Gewalt machte die rechte Szene keinen Halt. Auf die Interviewfrage, ob sie schon angegriffen worden sei, antwortete Andrea Röpke: „Mehrfach. Bei meinen Recherchen werden meine Kollegen und ich angespuckt, beworfen, bedrängt – und Teile meiner Kamera wurden zerstört. Einmal bin ich niedergeschlagen worden. Seit den Massendemos von Pegida sind die Leute, die auf die Straße gehen, enthemmt“. 4

Preise, Preise, Preise

Die Anzahl der Preise, die Andrea Röpke im Laufe ihrer journalistischen Tätigkeit erhalten hat, bewegt sich mittlerweile im zweistelligen Bereich. Darunter gleich zwei Auszeichnungen des Medium Magazins; im Jahre 2006 als „Reporterin des Jahres“ und 2012 als „Journalistin des Jahres 2011“ in der Kategorie Politik. In der Laudatio wurde hervorgehoben: „Ihre Hartnäckigkeit und ihr Mut, für ihre Recherchen immer wieder auch persönliche Gefahren
in Kauf zu nehmen, sind ein Vorbild für alle Kollegen.“ 5

Im Zusammenhang mit dem Otto-Brenner-Preis, den sie 2008 erhielt, wurde ihr Engagement als „politische Nothilfe für Demokratie und Grundrechte“ gewürdigt. 6 Geradezu rekordverdächtig war jedoch das Jahr 2009; in diesem Jahr erhielt sie gleich drei (!) Auszeichnungen. Den Preis „Das unerschrockene Wort“ des Bundes der Lutherstädte, den Alternativen Medienpreis und den International Women of Courage Award des US-Außenministeriums. Von besonde-
rer Bedeutung ist sicherlich auch der „Paul-Spiegel-Preis für Zivilcourage“ des Zentralrats der Juden, der ihr im Jahre 2015 zuerkannt wurde.

Courage-Preis des Landesverbandes

Der Preis „Courage gegen Rechts“ des GEW-Landesverbandes wird am 7. September 2022 zum dritten Mal vergeben. Er wurde im Jahre 2001 auf Initiative des damaligen Landesvorsitzenden Torsten Post ins Leben gerufen. Erste Preisträger waren die Antifa-AG an der KGS Weyhe/Leeste und ihr Leiter Ralf Beduhn. Die Schule und speziell die Schüler*innen-AG, die zu diesem Zeitpunkt bereits elf Jahre existierte, war Anfang des Jahres 2000 in den Fokus der militanten rechten Naziszene geraten und hatte sich erfolgreich zur Wehr gesetzt. Der zweite Preisträger war dann vier Jahre später der ehemalige Vorsitzende der VVN/BdA Niedersachsen, Gerd Bornemann, dessen Sohn von einem Nazi-Skinhead im Januar 1986 Jahren ermordet worden war.7

Auf der Landesdelegiertenkonferenz der GEW 2017 wurde beschlossen, die lange Zeit brach liegende Preisvergabe zu reaktivieren und die inhaltliche Gestaltung in die Hände der AG (jetzt: Landesausschuss) Courage gegen Rechts zu legen. Für die Ausschussmitglieder war ohne lange Debatte klar, dass Andrea Röpke eine verdiente und würdige Preisträgerin ist. Durch persönliche Kontakte gelang es außerdem, die Musikgruppe Bejarano & Microphone Mafia zu engagieren, sodass einem interessanten politischen Abend mit Vortrag von Andrea Röpke und ausdrucksstarker Musik nichts im Wege stehen dürfte.

Save the date!

Anmeldungen bitte bis zum 2. September an c.hoehne(at)gew-nds(dot)de.

 

1 https://taz.de/Recherchen-im-Neonazi-Milieu/1538272/
2 Beide Zitate: www.christoph-links-verlag.de/index.cfm?view=3&titel_nr=226
3 https://jungefreiheit.de/politik/deutschland/2014/antifaschistin-mit-mission/
4 taz.de, ebd.
5 Z.n. https://de.wikipedia.org/wiki/Andrea_Roepke
6 Z.n. ebd.
7 Vgl. FAP Hannover oder: Mal wieder ein Polizeiskandal. In: Antifaschistischer Rundbrief für die Landkreise Diepholz und Nienburg; Nr. 4, Januar 1989.