Zum Inhalt springen

E&W

Schule ist kein politisch neutraler Ort

Seitdem die AfD im Bundestag vertreten ist, versucht diese, in unterschiedlichen Formen Einfluss auch auf Bildungsinhalte zu nehmen. Zuletzt schrieb der AfD-Bundestagsabgeordnete Dirk Brandes einen Brief an Schülervertretungen in Niedersachsen und bot diesen einen Meinungsaustausch unter anderem zur aktuellen Migrationspolitik an.

In dieser Zeit ist es wichtig, rechtliche Handlungssicherheit zu schaffen, die demokratischen Strukturen in den Schulen zu stärken und gemeinschaftlich demokratiefeindlichen politischen Entwicklungen entgegenzutreten.

Das politische Neutralitätsgebot zählt zu einem der Grundprinzipien des Beamtentums. Lehrkräfte sind innerhalb und außerhalb der Schule verpflichtet, sich bei politischer Betätigung zu mäßigen und zurückzuhalten. Das Grundgesetz verpflichtet alle Amtsträger*innen, Gesetz und Recht zu beachten. Danach dürfen Lehrkräfte in den Schulen keine Werbung für wirtschaftliche, politische, weltanschauliche und sonstige Interessen betreiben. Neutralität bedeutet aber nicht, dass sie sich wertneutral zu verhalten haben und eine kritische Auseinandersetzung mit aktuellen Themen verboten ist. Im Gegenteil, Lehrkräfte sind durch das niedersächsische Schulgesetz verpflichtet, die freiheitlich-demokratische Grundordnung zu schützen. Denn Lehrkräfte dürfen:

  • sich im Unterricht kritisch mit Positionen aller Parteien auseinandersetzen,
  • eigene Meinungen zu tagespolitischen Themen darstellen,
  • sich gegen rassistische oder demokratiefeindliche Aussagen inner- und außerhalb der Schule positionieren.

Die gesetzliche Grundlage findet sich in § 2 Nds. Schulgesetz: dem demokratischen Bildungs- und Erzie hungsauftrag der Schulen, wonach Lehrkräfte zur Einhaltung und Vermittlung demokratischer Grund- und Menschenrechte verpflichtet sind und Schüler*innen im Sinne der Demokratie, Menschenwürde, Toleranz und Gleichberechtigung erziehen sollen. Auszug § 2 Abs. 1 S. 3 NSchG: „Die Schülerinnen und Schüler sollen fähig werden,

  • die Grundrechte für sich und jeden anderen wirksam werden zu lassen, die sich daraus ergebende staatsbürgerliche Verantwortung zu verstehen und zur demokratischen Gestaltung der Gesellschaft beizutragen,
  • nach ethischen Grundsätzen zu handeln sowie religiöse und kulturelle Werte zu erkennen und zu achten,
  • ihre Beziehungen zu anderen Menschen nach den Grundsätzen der Gerechtigkeit, der Solidarität und der Toleranz sowie der Gleichberechtigung der Geschlechter zu gestalten […].“

Eine Handlungsorientierung gibt der Beutelsbacher Konsens. Sinn und Zweck des Konsenses ist es, Prinzipien für politische Bildung festzulegen, ohne die Neutralitätspflicht zu verletzen:

  1. Überwältigungsverbot: Lehrkräfte dürfen Schüler*innen nicht ihre Meinung aufzwingen (in-doktrinieren), sondern sollen im Rahmen des Bildungsauftrags die Schüler*innen in die Lage versetzen, sich eine eigene Meinung bilden zu können.
  2. Kontroversität: Was in Wissenschaft und Politik kontrovers ist, muss auch im Unterricht kont-rovers erscheinen; Aufzeigen unterschiedlicher Positionen.
  3. Schülerorientierung: Schüler-*innen müssen in die Lage versetzt werden, eine politische Situation und ihre eigene Interessenlage zu analysieren.

Konkret heißt das, verschiedene parteipolitische Standpunkte beim Thema Migration so darzustellen, dass die Schüler*innen sie nachvollziehen, analysieren und für die eigene Position abwägen können. Die Schüler*innen dürfen dabei keiner Angst ausgesetzt sein; sie müssen ihren Standpunkt frei äußern dürfen. Dabei kann die Lehrkraft auch die eigene Meinung äußern, wenn Positionen der AfD nicht geteilt oder abgelehnt werden. Das ist keine Verletzung des Neutralitätsgebots und auch keine Überwältigung, sondern lediglich das Aufzeigen unterschiedlicher Positionen. Die eigene Sichtweise darf dabei nicht absolut gesetzt werden und die Schüler*innen nicht indoktriniert werden. Wenn also eine Partei politische Ziele verfolgt, die unter anderem diskriminierende, rassistische, sexistische, frauenfeindliche Positionen beinhalten, und versucht, diese gesellschaftlich zu verankern, bedeutet das für Lehrkräfte, die ihre Aufgabe und die Schulgesetze ernst nehmen, dass der kritische Umgang mit diesen Positionen ein Teil der politischen Bildung ist. Dazu gehört es, die Positionen als diskriminierend darzustellen, wenn sie es sind. Sollten in diesem Zusammenhang Dienstaufsichtsbeschwerden oder Disziplinarverfahren eingeleitet werden, steht die GEW mit Rechtsschutz zur Seite!