GEW begrüßt neue Oberstufenverordnung
Mehr Möglichkeiten für Schülerinnen und Schüler, ihre Stärken zu entfalten Bedenkliche Leseschwäche beim Philologenverband
Sie ergänzt die im letzten Jahr vom Kultusministerium verfügten Änderungen in der Sek I. Die neuen G-9-Regelungen bieten den Gymnasien und Gesamtschulen attraktive Möglichkeiten, die Motivation und Leistung ihrer Schülerinnen und Schülern zu erhöhen.
Der Unterricht in den Jahrgängen 5 bis 10 umfasst jetzt in der Regel 30 Stunden. Also deutlich weniger Stress als zu G-8-Zeiten. Da bei der Rückkehr zu G 9 aber ein Schuljahr hinzukommt, gibt es keine Kürzung bei den Inhalten.
Die Schulen können Wahlpflichtbereiche einrichten oder Profile anbieten, die es Schülerinnen und Schülern ermöglichen, bereits in der Sek I Schwerpunkte zu setzen. Hier bekommen die musischen Fächer, die Fremdsprachen, aber auch der gesellschaftswissenschaftliche Bereich und die Naturwissenschaften gute Möglichkeiten, Angebote zu machen.
Auch der neu konzipierte 11. Jahrgang bietet interessante Chancen. Es gibt z. B. eine zusätzliche Stunde für die Berufs- und Studienwahlorientierung und auch in der Einführungsphase kann unter bestimmten Bedingungen ein Wahlpflichtangebot eingerichtet werden.
Sorgen macht sich die GEW um die Leseschwäche der Funktionäre des Philologenverbandes. Diese behaupten in ihren Verlautbarungen zur Oberstufenreform immer wieder, die Stundenzahl der MINT-Fächer werde gesenkt, die 2. Pflichtfremdsprache in 11 würde gestrichen, die Zahl der schriftlichen Arbeiten sinke bedrohlich, bald gäbe es ein Powerpoint-Abi und man könne in Zukunft mit vier mangelhaften Leistungen in die Qualifikationsphase versetzt werden. Alles falsch! Da hilft einfach genaues Nachlesen in den Verordnungsentwürfen und ein wenig Zählen. Die Texte findet man alle im Netz.
In der Summe verliert kein Fach durch die Rückkehr zu G 9 Stunden. Im Gegenteil: Gerade die Kernfächer gewinnen. Außerdem steigt durch die Reduzierung der Wochenstundenzahl in der Regel die Lernleistung.
Natürlich bleibt die 2. Pflichtfremdsprache in 11 für alle Schülerinnen und Schüler Pflicht, die in 12 und 13 den sprachlichen Schwerpunkt wählen wollen. In Niedersachsen müssen zudem auch die Schülerinnen und Schüler fünf Jahre eine zweite Fremdsprache lernen (die KMK schreibt nur vier vor), die diese in 11 abwählen. Stattdessen müssen sie ein zusätzliches Wahlpflichtangebot wählen, um sich intensiv auf die von ihnen favorisierten Schwerpunktfächer in 12 und 13 vorzubereiten. Das können z. B. musische oder naturwissenschaftliche Fächer sein. Was hat das mit Bildungsabbau zu tun!?
In der Oberstufe soll laut Verordnungsentwurf im vorletzten Halbjahr eine Klausur wegfallen, und das ist nicht die abiturvorbereitende. Das entlastet die Schülerinnen und Schüler (und auch die Lehrkräfte). Und schriftliche Übungsmöglichkeiten gibt es zudem in der Sek I und Sek II genügend, nicht zuletzt, weil ein Jahr länger Zeit ist.
Dass im Rahmen der mündlichen Prüfung aktuelle Formen der Präsentation ermöglicht werden, indem eine sogenannte Präsentationsprüfung eingeführt wird, ist positiv. Natürlich kann und soll diese zu Hause vorbereitet werden. Ein professioneller Prüfer (plus kompetentem Prüfungsausschuss) wird sicher in der Prüfung feststellen, ob die Leistung eigenständig erarbeitet wurde.
Die Versetzungsregelung von 11 nach 12 muss im Rahmen der zurzeit stattfinden Anhörung auch nach Auffassung der GEW noch einmal in den Blick genommen werden. Der Entwurf sieht vor, dass zwölf von 13 bzw. 14 Fächern versetzungsrelevant sind. Das Panikbeispiel allerdings, das der Philologenverband ins Netz gestellt hat, nach dem ein Schüler mit drei Sechsen und einer Fünf versetzt werden kann, ist Unfug.
Für die GEW ist die jetzt vollzogene Reform ein Schritt in die richtige Richtung.
Als nächstes muss die Landesregierung die verpflichtende Schwerpunktsetzung abschaffen, die sowohl die Schulen in ihren Angebotsmöglichkeiten als auch die Schülerinnen und Schüler in ihren Wahlmöglichkeiten unnötig einschränken.
Weitere Nachbesserungen hat die GEW bereits vor einem Jahr in ihrer ersten Stellungnahme zu den G-9-Verordnungen formuliert: Wir brauchen in allen Schulstufen Verfügungsstunden. Die Zusatzbedarfe für Differenzierungsangebote in der Sek I sind zu erweitern. Die Stundenzuweisung in der Qualifikationsphase müssen erhöht werden, damit die Kurse kleiner werden können. Auch für die Sek II muss es Stundenzuweisungen für den Ganztag geben.
Differenzierte Angebote und kleinere Lerngruppen nützen den Lehrkräften und den Schülerinnen und Schülern gleichermaßen. Beide Maßnahmen befördern den Bildungserfolg.
Henner Sauerland
(Sprecher der Fachgruppe Gymnasien der GEW Niedersachsen)