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Startchancen-Programm

Fachkräftemangel, Sparkurs und Startchancen – die Quadratur des Kreises

20 Milliarden für mehr Bildungsgerechtigkeit – das Startchancen-Programm soll benachteiligte Schulen fördern. Doch Fachkräftemangel und ungleiche Ressourcenverteilung bremsen den Erfolg. Reicht das Programm wirklich aus, um faire Chancen zu schaffen?

Das Startchancen-Programm unterstützt gezielt Schulen mit einem hohen Anteil sozial benachteiligter Schülerinnen und Schüler. Dafür investieren Bund und Länder zusammen rund 20 Milliarden Euro in zehn Jahren. Es ist damit das größte und langfristigste Bildungsprogramm in der Geschichte der Bundesrepublik
Deutschland.“

In Niedersachsen sind landesweit 390 Schulen ausgewählt worden.Unter den Schulen findet man sehr mviele Oberschulen und Hauptschulen, einige Grundschulen, Integrative Gesamtschulen und Realschulen, ein paar Berufsbildende Schulen
sowie ein Gymnasium. Die vollständigen Listen der ausgewählten Schulen sind nach Bezirken unter anderem auf der Seite des Kultusministeriums (MK) abrufbar.

Das Ziel des Startchancen-Programms ist Bildungsgerechtigkeit. Die Kultusministerin Julia Willie Hamburg sagt in der Pressemitteilung zum Programm: „Noch immer hängt der Bildungserfolg zu sehr vom Geldbeutel oder vom Status der Eltern ab. Mit dem Startchancen-Programm und vielen weiteren bereits ergriffenen Maßnahmen wollen wir diesen Zusammenhang aufbrechen, den Bildungserfolg von der sozialen Herkunft entkoppeln und für mehr Chancengerechtigkeit sorgen“. Die Reproduktion von Ungleichheit durch das Bildungssystem wurde und wird Deutschland immer
wieder attestiert. Das Ziel ist also längst überfällig.

Jetzt fragt man sich aber, wie genau das Startchancen-Programm wirken soll, wenn die Ressourcen doch auch jetzt schon ungleich verteilt sind, Schulen auch aktuell strukturellbenachteiligt sind und Herausforderungen unterschiedlich getragen beziehungsweise verteilt werden, um nur einige Probleme zu nennen? Was ist, wenn die bislang zugewiesenenRessourcen gar nicht ausreichen? Was ist, wenn die meisten
Schulen aktuell mit einem so hohen Fachkräftemangel zu kämpfen haben, dass sie gar nicht mehr in der Lage sind, die Stundentafel zu erfüllen? Was macht also eine Schule in Schaumburg, die zwar Anspruch hat auf Startchancen, aber nur eine Unterrichtsversorgung von 80 Prozent hat und den Schüler*innen gar nicht bieten kann, was andere Schulen abdecken können, weil sie einfach besser versorgt sind? Steht dann nicht das Gymnasium oder die Integrierte Gesamtschule im Nachbarort mit einer Versorgung von rund 97 Prozent und ohne Startchancen-Programm trotzdem besser da?

Auf der Homepage des Kultusministeriums ist von einer bedarfsgerechten Zuweisung von Ressourcen die Rede. Die ist aber bislang ausgeblieben. Solange die Ressourcenausgangslage so unterschiedlich ist, kann das Startchancen-Programm in vielen Fällen gar nicht als zusätzliche Unterstützung benachteiligter Schüler*innen greifen, sondern wird zum Pflaster, das die desolate Ausgangssituation etwas kaschiert und korrigiert. Mit Bildungsgerechtigkeit und Förderung hat das dann aber
wenig zu tun.

Im letzten Einstellungsdurchgang sind etwa ein Drittel der Stellen des letzten Jahres ausgeschrieben worden. Dabei hat sich der Stellenbedarf erhöht. Ausgeschrieben wurde, wie seit mehreren Jahren Praxis, nach der Zahl der Referendariatsabgänger*innen in Niedersachsen. Das bedeutet aber dann auch, dass die Bedarfe nicht gedeckt werden können und anders kompensiert werden müssen – zum Beispiel durch Vertretungen durch Studierende, Lehrkräfte im Ruhestand und so weiter. 

Was aber, wenn das Geld unabhängig vom Startchancen-Programm gar nicht reicht, um die Vakanzen abzudecken, weil alle zum Sparen angehalten sind, um die selbstauferlegte Schuldenbremse zu bedienen? Die Quadratur des Kreises wirkt, an dieser Stelle angekommen, verharmlosend und zynisch zugleich. Die Gießkanne reicht schon lange nicht mehr; es braucht strukturelle, systemische und weitergedachte Maßnahmen, um Bildungsgerechtigkeit zu erreichen und die Brandflächen im Bildungsbereich unter Kontrolle zu bekommen. Also weg mit der Schuldenbremse!

Das Problem mit dem Fachkräftemangel und der Unterfinanzierung des Bildungsbereiches ist kein neues und liegt auch nicht allein in der Verantwortung der aktuellen Landesregierung; sie ist das Produkt jahrzehntelanger Fehlsteuerungen und Sparpolitik. Und darum kann sich auch niemand mit dem Thema rühmen. Alle bislang gefassten Maßnahmen haben das Problem nicht absehbar oder gar nachhaltig lösen können. Das Startchancen-Programm ist besser als nichts, trotz aller Probleme, die es beinhaltet und die in der E&W schon ausführlich dargestellt wurden; aber es ist auf
gar keinen Fall genug.

Chancengerechtigkeit muss strukturell angelegt sein und Bildung darf nicht länger kaputt gespart werden. Die Landesregierung hat sich vieles vorgenommen. Wir warten auf die Umsetzung!