Landesaussschuss Queer
Wie das neue Selbstbestimmungsgesetz auch Bildungseinrichtungen verändert
Am 12. April 2024 hat der Bundestag einen großen Schritt in Richtung rechtlicher Selbstbestimmung von trans*, intergeschlechtlichen sowie nichtbinären Personen unternommen. Das veraltete Transsexuellengesetz (TSG) wurde abgeschafft und durch das neue Selbstbestimmungsgesetz ersetzt, das zum 1. November in Kraft tritt.
Das TSG zwang bislang transgeschlechtliche und nicht-binäre Personen, sich auf hohe eigene Kosten von zwei Gutachter*innen diagnostizieren zu lassen, um den Geschlechtseintrag und die Vornamen ändern zu können. Die verpflichtenden Begutachtungen waren oft demütigend und entwürdigend. Das neue Gesetz bringt nun wesentliche Änderungen im Verfahren zur Geschlechtseintragung im Personenstandsregister mit sich. Eine zentrale Neuerung ist die Möglichkeit, den Geschlechtseintrag sowie die Vornamen künftig durch Selbstauskunft direkt im Standesamt ändern zu können.
Für Minderjährige unter 14 Jahren ist eine rechtswirksame Erklärung ihres Geschlechtseintrags im Personenstandsregister nur durch ihre gesetzlichen Vertreter*innen möglich. Ältere Minderjährige ab 14 Jahren können die Änderung ihres Geschlechtseintrags selbst erklären, mit der Zustimmung ihrer Erziehungsberechtigten oder – wenn diese nicht zustimmen – eines Familiengerichts. Im Widerspruch dazu gelten Jugendliche ab dem 14. Lebensjahr als strafmündig und als religionsmündig und es wird ihnen zum Beispiel durchaus zugetraut, eigenständig ohne Sorgeberechtigte zu entscheiden, ob sie zu einer Religionsgemeinschaft gehören und damit am Religionsunterricht oder am Fach Werte und Normen teilnehmen wollen.
Nach dem neuen Gesetz müssen Erklärungen zur Änderung des Geschlechtseintrags drei Monate im Voraus angemeldet werden und treten erst nach dieser Wartezeit in Kraft. Begründet wird das mit der Feststellung, so sei sicherzustellen, „dass eine missbräuchliche, kurzfristige Änderung des Geschlechtseintrags unterbleibt“. Dabei dürfte sich eine Person, die zum Standesamt geht, um Geschlechtseintrag und Namen zu ändern, sich das länger und sehr gründlich überlegt haben. Eine Rückänderung ist nach dem neuen Gesetz frühestens nach einem Jahr möglich. Die Rücknahme von Geschlechtseintrag-Änderungen war bislang in den Verfahren nach dem alten Transsexuellengesetz äußerst selten. Und Untersuchungen in Ländern, in denen ähnliche Regelungen bereits seit einiger Zeit gelten, zeigen, dass wiederholte Änderungen nur in sehr vereinzelten Fällen auftreten. Es ist deshalb nicht zu erwarten, dass sich diese Situation nun wesentlich ändert. Es geht beim Selbstbestimmungsgesetz übrigens ausschließlich um das Namensrecht – und nicht um medizinische Vorgänge wie Hormongaben oder geschlechtsangleichende Operationen. Und was ist mit dem immer wieder aufgebrachten Vorwurf, Frauenräume wie beispielweise Saunen oder Frauenhäuser seien nun „bedroht“? Diese Kritik lenkt von den eigentlichen Problemen ab. Die Realität ist, dass Menschen noch nie einen spezifischen Geschlechtseintrag benötigten, um Frauenräume zu betreten oder Frauen zu belästigen. Trans* Personen sind dagegen täglich mit Diskriminierung konfrontiert und fühlen sich oft unsicher in öffentlichen Räumen. Es ist an der Zeit, die wahren Herausforderungen anzugehen und trans* Personen Unterstützung anzubieten, anstatt sie unter Generalverdacht zu stellen. Trotz aller Kritik stellt die Einführung des Selbstbestimmungsgesetzes einen wichtigen Schritt in Richtung individueller Selbstbestimmung und Bürokratieabbau dar und trägt sicherlich bei zur Schaffung eines inklusiveren und gerechteren Gesellschaftsmodells.
Und was bedeutet das nun alles für Bildungseinrichtungen? Es ist Geschlechtseintrags unmittelbar Konsequenzen in den Bildungseinrichtungen nach sich ziehen muss. Aber schon vor einer Namens- und Geschlechtseintragsänderung und in der dreimonatigen Wartezeit ist ein sensibler Umgang mit trans*, inter* oder nicht-binären Lehrenden und Lernenden gefordert. Sie sollten sich dabei auch auf unterstützende Richtlinien des Kultusministeriums berufen können. Wichtige zu berücksichtigende Punkte sind dabei: die Selbstbestimmung ernst zu nehmen, Unterstützung bei einem geplanten Coming-Out anzubieten, der sensible Umgang mit selbstgewählten Namen und Pronomen, Regelungen zur Nutzung von geschlechts(un) spezifischen Räumen und die Unterstützung bei der Sensibilisierung von Schüler*innen und Elternschaft. Zudem ist eine offene und respektvolle Kommunikation ebenfalls unerlässlich. Schulen sollten Räume schaffen, in denen Fragen zu Geschlechtsidentität und Vielfalt offen thematisiert werden können. All dies kann dazu beitragen, Vorurteile abzubauen und das Verständnis zu fördern. Und das verbessert das Schulklima für alle.