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„Optimieren Sie doch Ihr Zeitmanagement…"

Aus dem Alltag einer Grundschullehrkraft Die Arbeitssituation an Grundschulen hat sich in den zurückliegenden Jahren in keiner Weise entspannt. Die Belege aus der Arbeitszeitstudie der GEW 2015/16 – permanente Überstunden und Mehrarbeit – haben sich, unabhängig von der derzeitigen Corona-Sondersituation, weiter verschärft.

Grundschulleitungen bekommen häufiger den sogenannten „fürsorglichen Hinweis“ von Seiten des jeweiligen Regionalen Landesamtes für Schule und Bildung (RLSB), für Entlastungsmöglichkeiten in der Schule und somit für eine gerechtere Aufgabenverteilung in der Schule zu sorgen. Eine Grundschulkollegin hat der Bezirksfachgruppe Grundschulen Braunschweig zusammengestellt, weshalb es an ihrer Schule nicht möglich sei, einzelne Kolleg*innen zu entlasten, ohne andere dabei zu belasten. Sie schildert auch, dass die Entlastungsempfehlungen und die sognannten Entlastungsmaßnahmen von Seiten des Kultusministeriums und der Schulaufsicht ins Leere laufen und keine Entlastungseffekte haben.

Viele Aufgaben

Grundschulen sind überwiegend kleine Schulsysteme, so dass jede Lehrkraft mindestens eine Fachkonferenzleitung übernehmen muss. Die Übernahme der Fachkonferenzleitung „Mathematik“ zum Beispiel beinhaltete in den letzten Jahren unter anderem die Umsetzung des neuen Kerncurriculums (KC) Mathematik, die Neugestaltung der Leistungskriterien, den Besuch von Mathematik-Fachdienstbesprechungen und der schulinternen Weiterentwicklung der Berichtszeugnisse.

Ein weiteres Beispiel: Im Rahmen von Inklusion gab es ständig neue Aufgaben, die bewältigt werden mussten: Elterngespräche, Besprechungszeiten mit mobilen Diensten, Fortbildungen zu dem Thema, Zusammenarbeit mit dem Jugendamt/ Gesundheitsamt, Einarbeitung in die Arbeit mit traumatisierten Kindern (Schule ist im Einzugsbereich einer Flüchtlingsunterkunft) und Kindern mit sehr speziellen sonderpädagogischen Förderbedarfen. Eine intensive Teilnahme an Fortbildungen zu den Themen Pädagogik, Teambildung, Inklusion, Digitalisierung und dem Fach Mathematik (pro Jahr etwa zwei Veranstaltungen) hat zwar die persönliche Professionalität und Kompetenz erweitert, jedoch nicht zu dem Effekt einer spürbaren Arbeitsentlastung geführt.

Mehrarbeit in der Grundschule

Immer wieder wird von Seiten der Schulaufsicht beziehungsweise des Ministeriums den Lehrkräften nahegelegt, sich durch ein verändertes Zeitmanagement zu entlasten. Durch Selbstreflexion, kollegiale Beratung und durch Beratung mit Schulleitung und schulfachlichem Dezernat kommen jedoch viele gemeinsam zu dem Schluss, dass das Zeitmanagement schon optimiert ist und dass die Arbeitsüberlastung ein systemimmanentes Problem ist. Der Hinweis der Behörde, durch eine verstärkte kollegiale Teambildung eine Arbeitsentlastung zu erfahren, zeigt, dass die schulischen kollegialen Arbeitsweisen hier wenig bekannt sind. Seit einer Reihe von Jahren wird sowohl in der Lehrerbildung als auch bei der schulinternen Konzeptarbeit auf Teamarbeit geachtet und diese auch praktiziert. Da Grundschulen in der Mehrheit kleine Systeme sind, kommen auf die Lehrkräfte mehrfache Teambildungen zu (fachspezifische Teambildungen, Teambildungen im Schulentwicklungsbereich, Klassenteambildungen…). Im Durchschnitt arbeitet die Grundschullehrkraft in fünf bis sechs Teams. Der weitere Hinweis, dass die Grundschullehrkraft durch den Wegfall der Vergleichsarbeiten substanziell entlastet wurde, ist zurückzuweisen. Die Vergleichsarbeit findet einmal im Jahr statt, Grundschullehrkräfte begleiten ihre Klassen in der Regel vier oder zwei Jahre, also findet diese Entlastung alle vier oder zwei Jahre einmal statt. Genauso verhält es sich mit dem Wegfall des Sprachfeststellungsverfahrens wie auch mit dem „verschlankten“ Gesprächsprotokoll der Elternberatungsgespräche für den Übergang zur weiterführenden Schule.

Der Anspruch der stärkeren Digitalisierung in Schule wird von den Lehrkräften als wichtige Zukunftsaufgabe angenommen und umgesetzt. Ärgerlich und demotivierend sind immer wieder der Mangel an technischen Ressourcen und deren reibungslose Wartung. Auch der Datenschutz befindet sich noch im „Entwicklungsprozess“, alles zusammen bildet einen Stressfaktor.

Immer wieder sind Grundschullehrkräfte aufgefordert, die Schulleitung, auch über einen längeren Zeitraum, zu übernehmen, da aus unterschiedlichen Gründen Vakanzen entstehen. Aber auch durch die Fülle der Schulleitungsaufgaben, die in den letzten Jahren ständig gestiegen sind kommt es immer wieder dazu, dass Grundschullehrkräfte kollegial Schulleitungsaufgaben mit wahrnehmen, um ihre Schulleiterin zu unterstützen und zu entlasten.

Keine Entlastung angekommen

Dieser beispielhafte Ausschnitt aus einem Grundschulalltag legt dar, dass seit der Veröffentlichung der Ergebnisse der Arbeitszeitstudie und den Empfehlungen der Arbeitszeitkommission des Ministeriums keine substanziellen Entlastungsmaßnahmen in der Grundschule angekommen sind. Grundschullehrkräfte führen ihren Beruf gern und oft mit Leidenschaft aus, aber die Arbeitsbedingungen müssen für diese wichtige systemrelevante Aufgabe auch stimmen. Der Beruf muss wieder für den Nachwuchs attraktiver werden. Deshalb ist es überfällig: Runter von 28 Stunden!

Anita Dawid

Brunhilde Eilers