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Im EU-Ausland geleistete Lehrertätigkeit ist anrechenbar

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat am 23. April diesen Jahres entschieden, dass in einem anderen EU-Staat geleistete einschlägige Lehrertätigkeit bei einem Wechsel in den deutschen Schuldienst uneingeschränkt anzurechnen ist. Das führt zu einer erheblichen Verbesserung der Einkommenssituation der betroffenen Beschäftigten.

Neue Entscheidung des EuGH

Im EU-Ausland geleistete Lehrertätigkeit ist anrechenbar

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat am 23. April diesen Jahres entschieden, dass in einem anderen EU-Staat geleistete einschlägige Lehrertätigkeit bei einem Wechsel in den deutschen Schuldienst uneingeschränkt anzurechnen ist. Das führt zu einer erheblichen Verbesserung der Einkommenssituation der betroffenen Beschäftigten.

Es geht um Tarifbeschäftigte (nicht Beamte). Früher wurden diese nach aufsteigenden Lebensaltersstufen vergütet. Je höher das Lebensalter bei Einstellung, desto höher war das Gehalt.  Da diese Regelung jüngere Bewerber benachteiligte und damit gegen das unionsrechtliche Verbot der Altersdiskriminierung verstieß, wurde das System umgestellt. Honoriert werden soll seit 2006 nicht mehr das Lebensalter, sondern die einschlägigen Berufserfahrung. Innerhalb eines Zeitraums von zehn Jahren (inzwischen 15 Jahren) steigt das Gehalt in sechs Stufen an. Dieser auf Leistung bezogene und damit zulässige Ansatz ist aber in der tarifvertraglichen Bestimmung des § 16 Abs. 2 TV-L nur teilweise umgesetzt worden. Wer von einem Arbeitgeber zu einem anderen wechselt, wird bei seiner Neueinstellung höchstens in Stufe 3 eingestuft. Eine Lehrkraft, die durchgehend 15 Jahre lang im niedersächsischen Schuldienst arbeitet erhält Entgelt nach Stufe 6, diejenige, die nach der gleichen Zeit von Bayern nach Niedersachsen wechselt, also über eine gleich lange einschlägige Berufserfahrung verfügt, lediglich ein solches nach Stufe 3. Das Bundesarbeitsgericht hat diese Ungleichbehandlung für zulässig erachtet.

Etwas anderes gilt jetzt aber bei einem Wechsel von einem anderen EU-Staat nach Deutschland. Im entschiedenen Fall war hatte die Klägerin von 1997 bis 2014 in Frankreich an Collèges-Lycées als Lehrerin unterrichtet und war zum 08.09.2014 in den niedersächsischen Schuldienst gewechselt. Ihre Tätigkeit in Frankreich wurde als einschlägig anerkannt. Entsprechend der Vorgabe des Tarifvertrags wurde sie aber nur in Stufe 3 eingestuft. Ihr Gehalt war um 870 € geringer als dasjenige ihrer Kolleg*innen mit gleicher Berufserfahrung. Auf gleicher Stufe wie diese hätte sie erst nach zwölf Jahren gestanden. Ihrer mit dem Rechtsschutz der GEW geführten Klage wurde in erster Instanz stattgegeben, in zweiter Instanz verlor sie. Das Bundesarbeitsgericht als dritte Instanz legte den Fall dem EuGH vor. Dieser hat jetzt entschieden, dass die tarifvertragliche Regelung gegen den Grundsatz der Arbeitnehmerfreizügigkeit verstößt, da dadurch der Wechsel eines Beschäftigten von einem EU-Land in ein anderes in unzulässiger Weise erschwert wird. Die Klägerin kann damit rückwirkend Gehalt nach Stufe 5, bzw. 6,  beanspruchen. Die Gewerkschaften sollten die Entscheidung des EuGH zum Anlass nehmen, bei den nächsten Tarifverhandlungen darauf hinzuwirken, dass die systemwidrige und gegen den Gleichheitssatz verstoßende unterschiedliche Anrechnung von Beschäftigungszeiten beseitigt wird.

EuGH, Urteil vom 23.04.2020, Az.: C-710/18)

Rechtsanwalt Karl Otte, Hannover