Frauenspezifische Fluchtursachen bewusst machen, weibliche Flüchtlinge unterstützen!
Resolution des DGB-Bundesfrauenausschuss vom 29. September 2015
Weltweit sind fast 60 Millionen Menschen auf der Flucht vor Armut, Hunger, Krieg und Unterdrückung. Die steigende Zahl der Flüchtlinge stellt auch Deutschland vor große Herausforderungen: Bis zu 800.000 Menschen werden in diesem Jahr in Deutschland Schutz suchen. Die meisten von ihnen sind (junge) Männer.
Auch viele Frauen fliehen trotz größerer Hürden aus ihrer Heimat, die Ursachen dafür sind meist dieselben wie bei Männern. Doch auch geschlechtsspezifische Gründe treiben Frauen in die Flucht: häusliche Gewalt, Genitalverstümmelung, Zwangs-verheiratungen, Ehrenmorde oder Vergewaltigungen im Rahmen von Bürgerkriegen oder anderen Konflikten. Nach der Genfer Flüchtlingskonvention von 1951 sind solche Fluchtursachen als Verfolgungsgründe anerkannt. Seit dem Zuwande-rungsgesetz von 2005 führt auch in Deutschland solche nichtstaatliche und geschlechtsspezifische Verfolgung zu einem Schutzanspruch. Doch da sie in vielen Fällen im Privaten stattfindet (und der Heimatstaat dagegen nichts unternimmt) ist der Nachweis der Verfolgung nur schwer zu erbringen. Und: Für Frauen ist die Flucht unter menschenunwürdigen Umstän-den oft noch beschwerlicher als für Männer. Oftmals sind sie von sexuellen Übergriffen und gemeinsam mit ihren Kindern unterwegs von Gewalt bedroht.
Weil die Flucht von Frauen aufgrund ihres gesellschaftlichen Status von besonderen Belastungen geprägt ist und sie nach der Ankunft in Deutschland vor besonderen Herausforderungen stehen, ist die Beachtung der Geschlechterperspektive beim Umgang mit Flüchtlingen von großer Bedeutung und darf – trotz der enormen Anstrengungen von Staat und Zivilgesell-schaft für ihre Aufnahme – nicht vernachlässigt werden.
Daher fordern die Frauen im DGB:
- Frauenspezifische Fluchtursachen müssen bei dem Umgang mit weiblichen Flüchtlingen beachtet werden. Sie sind bei der Unterbringung, Betreuung und Unterstützung dieser Frauen in besonderem Maße zu berücksichtigen, durch die Bereitstellung von Rückzugsräumen und Sprachmittlerinnen, die Anwendung von Konzepten der Gewaltprävention, flächendeckende Angebote zur physischen und psychischen Gesundheitsvorsorge u.v.a.m.
- Bei der Integration von geflüchteten Frauen ist zu beachten, ob sie in ihrem Heimatland in ihrer Lebensführung Restrik-tionen unterworfen waren, wie sie die in der deutschen Gesellschaft oft selbstverständlichen Freiräume für sich nutzen können und auf welche Weise den Frauen eine angstfreie Überwindung „innerer Grenzen" erleichtert werden kann. Sprachkurse für Frauen und eine angemessene Kinderbetreuung können dazu einen wichtigen Beitrag leisten.
- Bei der Bearbeitung von Asylanträgen ist die Geschlechtsperspektive einzubeziehen, im Asylverfahren sind auch Sprach-mittlerinnen einzusetzen. Zu prüfen ist, ob bundesweit gültige Kontingente für Flüchtlingsfrauen und ihre Kinder aus bestimmten Regionen einzurichten sind.
- Auch bei der Integration geflüchteter Frauen in den Arbeitsmarkt muss der Schutz vor prekärer Beschäftigung gewähr-leistet sein; Ziel ist eine nachhaltige und hochwertige Beschäftigung. Beim Zugang zum Arbeitsmarkt sind frauenspezi-fische Hürden abzubauen durch spezielle Angebote zur Sprachförderung sowie zur beruflichen Beratung und Bildung. Die Anerkennung von Abschlüssen ist zu vereinfachen, die Erfassung vorhandener Kompetenzen und Potentiale zu beschleunigen. Zudem müssen die Beratungs- und Vermittlungsangebote der Arbeitsverwaltungen und Jobcenter für geflüchtete Frauen ausgebaut und Schnittstellenprobleme beim Übergang von SGB III ins SGB II reduziert werden. Dazu bedarf es einer Aufstockung der Mittel für Eingliederung und Personal in beiden Rechtskreisen, insbesondere im steu-erfinanzierten Hartz-IV-System.