NAMA
Erneute Angriffe auf Nordsyrien
48 zerstörte Schulen, 8.458 davon betroffene Schüler*innen und zwei getötete Grundschüler*innen, das ist nur ein kleiner Teil der erschreckenden Bilanz von insgesamt 580 türkischen Angriffen auf das Gebiet der Selbstverwaltung von Nord- und Ostsyrien Anfang Oktober. Gezielt wurden Einrichtungen der Infrastruktur wie Elektrizitätswerke, Wasseranlagen, Krankenhäuser und Bildungseinrichtungen – insgesamt 104 Standorte – zerstört, beschädigt oder außer Betrieb gesetzt.
David Edwards, Generalsekretär der Bildungsinternationale (EI), verurteilte die Angriffe in einem Protestbrief an den türkischen Präsidenten als schwere Ungerechtigkeit und als Verletzung des Völkerrechts. Er
12 Januar 2024 kündigte an, Verstöße weiterhin zu überwachen, zu dokumentieren unddem UN- Menschenrechtsrat sowie dem Sonderbeauftragten für Bildung zu melden.2 Die GEW-Vorsitzende Maike Finnern schickte eine entsprechende Solidaritätsadresse an die Bildungsgewerkschaft.
In der Landesdelegiertenkonferenz (LDK) der GEW Niedersachsen verdeutlichte das Geschehen die Aktualität und Dringlichkeit der beantragten gewerkschaftlichen Kooperation auf regionaler Ebene. Einstimmig beschlossen die Delegierten am 10. mOktober den Aufbau einer Partnerschaft der GEW Niedersachsen mitYekîtiya Mamosteyên (YM) in der Region Euphrat / Kobanê.
Schon in der darauf folgenden Woche gab es im Rahmen des vom NAMA und der Koordinierungsgruppe Nord- und Ostsyrien organisierten Online-Treffens (vgl. E&W 5/23, S. 19) die Möglichkeit zur Kontakt-aufnahme. Die Nachricht der beschlossenen Partnerschaft wurde mit großer Wertschätzung aufgenommen. Dieses Treffen wurde aber nach vorheriger Absprache vor allem für den Austausch zur aktuellen Situation genutzt. Ausführlich berichteten die Kolleg*innen aus Kobanê, Manbij, Shehba, Aleppo, Raqqa, Tabqa, Cizire und Deir ez Zor über die Auswirkun-gen der Angriffe auf die schulische
Arbeit in ihren Regionen.
In einigen ländlichen Gebieten gibt es wegen der betroffenen Schulgebäude aktuell fast keine Möglichkeit, zu unterrichten. Es ist zu gefährlich, auf Gebäude in der Stadt auszuweichen, und der eingerichtete Online-Unterricht musste wegen der instabilen Internetverbindungen wieder aufgegeben werden. In den Städten können Schüler*innen aus beschädigten Schulen auf noch erhaltene
Gebäude verteilt werden, aber angesichts zusätzlicher geflüchteter Familien aus den Dörfern führt das zu sehr vollen Klassen. Die Schulbehörden müssen immer wieder neu einschätzen und entscheiden, ob die Schulen aus Sicherheitsgründen geschlossen werden. Durch die Unterbrechungen ist eine Umsetzung der Lehrpläne sehr schwierig, häufig müssen die Kolleg*innen mit Unterrichtsinhalten von vorn beginnen. Alle Beteiligten sind durch die seit langem anhaltende Kriegssituation psychisch belastet. Es gilt, das Erlebte zu verarbeiten und gleichzeitig mit der immer präsenten Angst vor weiteren Angriffen umzugehen, vor allem im direkten Grenzgebiet. Maßnahmen des Zivilschutzes sind Teil des Unterrichts. In einigen Gebieten ist die Auseinandersetzung mit der IS-Ideologie noch eine große Herausforderung, wodurch der Schulbesuch eine besondere Bedeutung bekommt.
In allen Bereichen bemüht sich die Gewerkschaft um Unterstützung. Das Protokoll der überregionalen Konferenz von YM Ende Oktober beschreibt anspruchsvolle Ziele. Über die herausfordernden Aufgaben in der Schule hinaus besuchen die Kolleg*innen die Familien der Lehrkräfte und bieten soziale Beratungen und Unterstützung an. Sie übernehmen Aufgaben in den kommunalen und überregionalen Bildungsgremien und sorgen für die eigene Qualifizierung. Die Kolleg*innen sind einer ständigen Dauerbelastung ausgesetzt. Ihre Unterstützung ist dringend geboten.
Die GEW wird als zuverlässige Partnerin geschätzt, und es ist wichtig, den Kontakt aufrechtzuerhalten und zu verbreitern. Anfang Dezember fand (nach Redaktionsschluss) das erste Online-Treffen mit Vertreter*innen aus Niedersachsen und der Region Euphrat statt. Hier sollte der Bedarf an Austausch und Unterstützung konkret anhand der lokalen Situation besprochen werden. Wer sich an der Ausgestaltung der Partnerschaft beteiligen möchte, ist herzlich willkommen! Nachrichten bitte an: internationales@gew-nds.de