Bundestagswahl 2025
„Das Thema Bildung ist fast komplett unter den Tisch gefallen“
Die stellvertretende Landesvorsitzende der GEW Niedersachsen, Sabine Kiel, fordert von einer neuen Bundesregierung, dass deutlich mehr Geld in die Bildung investiert werden muss.
Knapp sechs Wochen Winterwahlkampf liegen hinter Deutschland. Bestimmendes Thema ist die Migration gewesen. Die Bildung wurde von den Parteien und Kandierenden auch in Niedersachsen kaum thematisiert, dabei besteht auch hier akuter Handlungsbedarf. Was muss sich ändern?
Zunächst ist es aus meiner Sicht natürlich schade und ehrlich gesagt ziemlich bitter, dass das Thema Bildung so unter den Tisch gefallen ist. Dass die Bildung für ein rohstoffarmes Land wie Deutschland wahrscheinlich sogar die Schlüsselressource des 21. Jahrhundert ist, ist sicherlich keine Neuigkeit. Was mich aber stört, ist die offensichtliche Vernachlässigung durch die Politik. Ich kann es nur mantramäßig wiederholen: Bei den Themen Migration, Integration, Arbeitslosigkeit, Rechtsextremismus kommt Bildung eine Schlüsselaufgabe zu. Gerade für junge Menschen steht das Thema Bildung sehr weit oben auf der Agenda. Offenbar ging es aber im Wahlkampf auch in Niedersachsen durch die extreme Polarisierung nur noch darum zuzuspitzen. Ich erwarte, ganz gleich welche Koalition nach der Bundestagswahl geschmiedet wird, dass es im Grunde auch ein Sondervermögen für den Bildungssektor geben muss. Da reden wir wahrscheinlich auch über mehr als 100 Milliarden Euro, denn Schulen und Hochschulen sind teilweise in einem erbärmlichen Zustand.
Allein mit der Sanierung beziehungsweise dem Neubau von Gebäuden ist es aber sicherlich nicht getan, oder?
In Niedersachsen zum Beispiel gibt es sozusagen zwei Leuchtturm-Projekte. Das sind die Neubauten der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) und der Universitätsmedizin Göttingen (UMG). An anderen Instituten dagegen regnet es rein, Sanitäranlagen sind zum Teil über Jahrzehnte nicht saniert worden. Es gibt nicht nur in Niedersachsen in Bezug auf die Hochschulen und Schulen einen milliardenschweren Investitionsstau, der allein mit den Mitteln aus den Etats des Wissenschafts- und des Kultusministeriums auch mittelfristig nicht zu beseitigen ist. Da muss mehr Geld vom Bund ins System. Anders bekommen wir die Probleme nicht in den Griff. Angesichts der stark gestiegenen Preise für Energie dulden die Sanierungen aber keinen Aufschub, denn die veralteten Gebäude sind regelrechte Energiefresser. Aber allein mit der Gebäudesanierung ist es nicht getan, an den Schulen haben wir deutlich überlastete Lehrkräfte und den Hochschulen hangelt sich der wissenschaftliche Nachwuchs von einem prekären befristeten Beschäftigungsverhältnis zum anderem.
Was fordert die GEW Niedersachsen?
Wir und natürlich die anderen Landesverbände sowie die Bundes-GEW fordern, wie eingangs angeschnitten einen klaren Kurswechsel in der Bildungs- und Wissenschaftspolitik. In den Schulen muss der Ganztag ausgebaut werden. Die Digitalisierung ist bisher eine Baustelle. Auch da muss es jetzt endlich vorwärts gehen. Wir reden zudem über einen akuten Mangel an Lehrkräften. Wir brauchen nicht nur in Niedersachsen mehr junge Menschen, die sich nicht nur vorstellen können Lehrkraft zu werden, sondern auch im System ankommen. Momentan haben wir nämlich eine ziemlich miese Quote in Niedersachsen. Nur jeder Zweite, der ein Lehramtsstudium beginnt, landet am Ende auch in einer Schule. Auf Landesebene machen wir deshalb Druck, um die Ausbildung von Lehrkräften zu reformieren. Nur wenn wir mehr Menschen ins System Schule bekommen, schaffen wir Entlastung für die stark belasteten Lehrkräfte. Leider werden wir auf Jahre mit dem Fachkräftemangel konfrontiert bleiben. Die Landesregierung hat jedoch jüngst aufgrund der knappen Kassen mögliche Reformen erstmal auf die lange Bank geschoben. Ich frage mich ehrlich gesagt, ob wir nicht langfristig dafür die Zeche zahlen werden und sich der Fachkräftemange in Niedersachsenl noch verstärken wird.
Mit Blick auf die Hochschulen braucht es ein Ende der sachgrundlosen Befristungen. Es braucht Dauerstellen für Daueraufgaben. Ein neues Wissenschaftszeitvertragsgesetz muss hier einen besseren Rahmen setzen. Eine für Studierende fundamentale Frage ist zudem die des bezahlbaren Wohnraums. Viele Studierende sind – auch dadurch das BAföG eher in homöopathischen Dosen gewährt wird – gezwungen neben dem Studium über Gebühr zu jobben oder bei den Eltern wohnen zu bleiben. Die Anzahl der angebotenen Wohnheimplätze ist nach wie vor zu gering und auf dem freien Wohnungsmarkt sind angesichts der Knappheit die Mietkosten geradezu explodiert – das trifft auch nahezu alle Hochschulstandorte in Niedersachsen zu.
Das Interview mit Sabine Kiel wurde von Oliver Weiße geführt.