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Corona: Arbeits- bzw. Dienstunfall oder Berufskrankheit?

Wenn es um die Anerkennung einer COVID-19-Erkrankung als Arbeitsbeziehungsweise Dienstunfall oder Berufskrankheit geht, ist zunächst wichtig zu verstehen, dass es Unterschiede zwischen Tarifbeschäftigten und Beamt*innen gibt. Diese Unterschiede sind im wesentlichen Begrifflichkeiten, doch geht es auch um Fristen, Meldewege und letztendlich um die unterschiedlichen für die Entschädigung zuständigen Institutionen. Die landesweite AG Arbeits- und Gesundheitsschutz gibt hier einen Überblick über den Stand der bisherigen Anerkennungen und Verfahrensweisen.

Arbeitsunfall bei Tarifbeschäftigten Ein Arbeitsunfall ist „ein zeitlich begrenztes, von außen auf den Körper einwirkendes Ereignis, das zu einem Gesundheitsschaden oder dem Tod führt“ (§8 SGB VII).

Voraussetzungen Arbeitsunfall

Die Voraussetzungen zum Anzeigen eines Arbeitsunfalls sind im Wesentlichen identisch mit denen einer Berufskrankheit:

a. nachgewiesene Infektion mit SARS-CoV-2 und zumindest leichte Symptome

b. nachgewiesener intensiver Kontakt mit einer infizierten Person („Indexperson“) am Arbeitsplatz, innerhalb der letzten 14 Tage vor Erkrankungsbeginn c. keine entsprechende außerberufliche Gefährdung

d. Gefährdung bei Kontaktzeiten ab etwa 15 Minuten anzunehmen, intensiver Kontakt, wenn Mindestabstand von 1,5 bis 2 Meter über die oben genannte Zeit unterschritten wurde

Keine „Indexperson“ nachzuweisbar

Auch wenn ein Kontakt mit einer infizierten Person am Arbeitsplatz nicht nachweisbar ist, kann unter bestimmten Voraussetzungen („Ausbruchssituation“ am Arbeitsplatz) eine berufliche Verursachung als nachgewiesen angesehen werden: Kriterien dabei sind unter anderem die Anzahl der infektiösen Personen in dem Betrieb, Anzahl der Personenkontakte bei der Tätigkeit, Verhältnisse am Arbeitsplatz (beispielsweise Größe des Raums, Lüftungsverhältnisse).

Anerkennung eines Arbeitsunfalls

1. Der Arbeitsunfall wird über den Arbeitgeber angezeigt, Meldung mit dem Formular „Unfallanzeige Landesunfallkasse Niedersachsen“ an die Landesunfallkasse in Hannover und mit dem Formular „Unfallanzeige“ an das zuständige Regionale Landesamt für Schule und Bildung. Wichtig: Eine Kopie der Anzeige ist dem Personalrat zuzustellen.

2. Es findet immer eine Einzelfallprüfung durch den Unfallversicherungsträger statt.

3. Erfolgt die Anerkennung, so wird der entstandene Schaden reguliert. Bei Ablehnung der Anerkennung besteht die Möglichkeit des Widerspruchs und gegebenenfalls der Sozialklage.

Gesetzliche Unfallversicherung

Die Leistungen der gesetzlichen Unfallversicherung sind umfassender als die der gesetzlichen Krankenversicherung, insbesondere bei der Rehabilitation. Finanzielle Entschädigungsleistungen bei der Minderung der Erwerbsfähigkeit gibt es nur bei der gesetzlichen Unfallversicherung. Sollte die Anerkennung abgelehnt werden, besteht die Möglichkeit, den Rechtsweg zu beschreiten, indem der/die Beschäftigte Widerspruch erhebt. Kommt es nach Durchführung des Widerspruchsverfahrens zu einem negativen Widerspruchsbescheid, besteht die Möglichkeit der Klage vor dem Sozialgericht.

Dienstunfall bei Beamt*innen

Ein Dienstunfall ist „ein auf äußerer Einwirkung beruhendes, plötzliches, örtlich und zeitlich bestimmbares, einen Körperschaden verursachendes Ereignis, das in Ausübung oder infolge des Dienstes eingetreten ist.“ (§ 34 NBeamtVG).

Anerkennung eines Dienstunfalls

Dienstunfälle verbeamteter Lehrkräfte müssen innerhalb von zwei Jahren angezeigt werden. Dafür muss ein in der Schule vorrätiges Formular verwendet werden, welches auf dem Dienstweg an das Regionale Landesamt für Schule und Bildung in Lüneburg geschickt und dort bearbeitet wird. Gleichzeitig sollte der Schulpersonalrat durch die betroffene Person über den Dienstunfall informiert werden.

Entschädigung bei Dienstunfall

Wenn der Dienstunfall anerkannt wird, trägt die Beihilfestelle die Kosten zu 100 Prozent. Dafür muss ein Antrag auf Gewährung von Unfallfürsorgeleistungen bei der zuständigen Beihilfestelle gestellt werden. Bei erstmaliger Antragstellung ist eine Kopie des Anerkennungsbescheides beizufügen. Ebenso sind die Originalbelege (Arztrechnungen, Rezepte und so weiter) dem Antrag beizufügen. Aus allen eingereichten Unterlagen muss eindeutig hervorgehen, dass die Maßnahmen zur Behandlung der anerkannten Dienstunfallfolgen notwendig waren. Neben dem Heilverfahren (unter anderem notwendige ärztliche Behandlung) zählen zu den Unfallfürsorgeleistungen unter Umständen auch ein Unfallausgleich neben den Bezügen, eine einmalige Unfallentschädigung oder ein Unfallruhegehalt. Im Fall des Todes können Angehörige einen Anspruch auf Unfall-Hinterbliebenenversorgung haben.

Dienstunfall abgelehnt?

Sowohl die Anerkennung als Dienstunfall als auch dessen Ablehnung erfolgt als Bescheid an die betroffene Person. Gegen einen solchen Bescheid kann in der Regel innerhalb eines Monats Widerspruch eingelegt werden. Wird der Widerspruch abgelehnt, können Beamt*innen vor dem Verwaltungsgericht auf Anerkennung als Dienstunfall klagen.

Berufskrankheit

Als Berufskrankheiten gelten „Krankheiten, die in der Berufskrankheitenliste (Anlage zur Berufskrankheitenverordnung, BKV) aufgeführt sind“ (§9 SGB VII). Es handelt sich dabei um derzeit 80 aufgeführte Krankheiten, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirkungen verursacht sind, denen bestimmte Personengruppen durch ihre versicherte Tätigkeit in erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind. Die Gruppe 3 der aufgeführten anerkannten Krankheiten umfasst durch Infektionserreger oder Parasiten verursachte Krankheiten sowie Tropenkrankheiten. COVID-19 wird durch Infektionserreger übertragen, steht derzeit aber noch nicht explizit in der Auflistung. Der DGB setzt sich gerade dafür ein, dass dies geändert wird. Derzeit ist die Anerkennung einer COVID-19-Erkrankung als Berufskrankheit noch sehr schwierig. Voraussetzungen Berufskrankheit a. Nachweis einer Infektion mit SARS-CoV-2 (positiver PCR-Test) b. Auftreten (zumindest geringfügiger) klinischer Symptome c. Nachweis des ursächlichen Zusammenhangs der Infektion mit der versicherten Tätigkeit.

Für den Nachweis ist zu belegen:

• intensiver Kontakt zu nachgewiesener Infektionsquelle (zum Beispiel Schüler*in, Kolleg*in als „Indexperson“),

• keine Umstände aus dem beispielsweise privaten Bereich, die gegen eine Ansteckung bei der beruflichen Tätigkeit sprechen,

• auch wenn kein Nachweis einer bestimmten „Indexperson“ möglich ist, kann beispielsweise bei einer größere Anzahl von infizierten Personen innerhalb zum Beispiel einer Klasse/Kindergartengruppe ein ursächlicher Zusammenhang als wahrscheinlich angenommen werden.

Anerkennung einer Berufskrankheit

1. Verdachtsanzeige stellen, wenn die oben genannten Voraussetzungen erfüllt sind.

2. Es findet immer eine Einzelfallprüfung durch den Unfallversicherungsträger beziehungsweise Dienstherren (Land Niedersachsen) statt.

3. Die Anerkennung einer Infektion mit SARS-CoV-2 bei Ansteckung am Arbeitsplatz als Berufskrankheit erfolgt nur dann, wenn die versicherte Person infolge der Ausübung ihrer beruflichen Tätigkeit, zum Beispiel „in der Wohlfahrtspflege (z.B. Kindertageseinrichtungen) […] tätig oder durch eine andere Tätigkeit der Infektionsgefahr in ähnlichem Maße besonders ausgesetzt war [hier könnte Schule dazuzählen].“ (BKNr. 3101, Anlage zur BKV).

Berufskrankheiten-Verdachtsanzeige

Grundsätzlich ist der Arbeitgeber verpflichtet, die Anzeige bei dem zuständigen Unfallversicherungsträger zu stellen, ebenso jede*r Ärzt*in/ Zahnärzt*in, der/die Verdachtsmomente für das Vorliegen einer Berufskrankheit sieht.

Entschädigung bei Berufskrankheit

Die Leistungen bei einer COVID19-Erkrankung beinhalten die Akutbehandlung, Rehabilitation und gegebenenfalls Verletztengeld sowie (Erwerbsminderungs-) Rente.

Übrigens: Das Ablehnen eines Impfangebots schließt die Anerkennung einer COVID-19-Erkrankung als Berufskrankheit oder Arbeits- beziehungsweise Dienstunfall nicht aus!

Sebastian Freudenberger für die AG AuG

Ist eine Erkrankungen mit SARS-CoV-2 auf den Arbeitsplatz als Ansteckungsort zurückzuführen, sollte sie mindestens als Arbeits- beziehungsweise Dienstunfall angezeigt werden, gegebenenfalls als Berufskrankheit. Dies ist besonders wichtig, da die Langzeitfolgen einer SARS-CoV-2-Infektion derzeit noch nicht eingeschätzt werden können. Für das Anzeigen eines Arbeitsunfalls oder einer Berufskrankheit gibt es keine Frist. Spät- und Folgererkrankungen können auch später noch angezeigt werden. Für die Anzeige eines Dienstunfalls gilt eine Frist von zwei Jahren, für das Anzeigen von Spätfolgen, die aus dem Unfall erwachsen sind, gelten zehn Jahre als Anzeigefrist. Es macht dennoch Sinn, berufsbedingte Erkrankungen sofort bei deren Auftreten anzuzeigen. Außerdem ist es ratsam, als GEW-Mitglied bei Ablehnung der Anerkennung einer COVID-19-Erkrankung als Arbeits- oder Dienstunfall beziehungsweise als Berufskrankheit den Rechtsschutz der GEW einzuschalten.