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Abitur nach neun Jahren: Was ändert sich?

Qualifikationsphase (12. und 13. Schuljahrgang)

Drei- und fünfstündige Kurse
Die entscheidende Änderung bei der Rückkehr zu G9 betrifft die Stundenzahl der Kurse. In Zukunft gibt es fünfstündige Leistungskurse und dreistündige Grundkurse. Zwei- oder vierstündige Kurse gibt es bis auf wenige Ausnahmen nicht mehr. In der VOGO heißt es im § 11 (vgl. hierzu auch die Übersicht in Anlage 2 zur VOGO):

„Als erstes, zweites und drittes Prüfungsfach können nur Fächer gewählt werden, die mit fünf Wochenstunden, im Fall von Sport mit sechs Wochenstunden, unterrichtet werden, als viertes und fünftes Prüfungsfach können nur Fächer gewählt werden, die mit drei Wochenstunden, im Fall von Sport, einer im 11. Schuljahrgang neu begonnenen Fremdsprache sowie Latein mit vier Wochenstunden unterrichtet werden.“

Diese für viele Kolleginnen und Kollegen neue Regelung dürfte vielfältige Auswirkungen auf die Arbeit in der Schule haben.

Die bereits in den bis jetzt geltenden Ergänzenden Bestimmungen zur VOGO definierten Ziele des Unterrichts auf grundlegendem Niveau (= Grundkurse) und erhöhtem Niveau (= Leistungskurse) hat der Verordnungsgeber in der Neufassung nicht geändert (vgl. die EB zur VOGO):

„10.3 Der Unterricht dient unter dem Aspekt wissenschaftpropädeutischer Bildung dazu, grundlegende Sachverhalte, Erkenntnisse, Strukturen, Methoden und Verfahrensweisen über ein Fachgebiert zu vermitteln sowie Fähigkeiten zu entwickeln und Fertigkeiten einzuüben. Die Schülerinnen und Schüler sollen grundlegende Methoden selbstständigen Arbeitens lernen.
10.4 Unterricht in den Fächern mit erhöhtem Anforderungsniveau dient unter dem Aspekt exemplarisch vertiefter wissenschaftspropädeutischer Bildung in besonderem Maße der allgemeinen Studienvorbereitung und soll in wissenschaftliche Methoden, Fragestellungen und Reflexionen einführen. Dieser Unterricht ist gerichtet auf eine systematische Beschäftigung mit wesentlichen, die Komplexität des Fachgebietes verdeutlichende Inhalte, Theorien, Modelle und Methoden; in ihm sollen Schülerinnen und Schüler lernen, über längere Zeiträume selbstständig zu arbeiten. Bei der Auswahl von einzelnen Unterrichtsthemen und bei der Wahl der Bearbeitungsmethoden sind sie zu beteiligen (…).“

In der Regel wird der Unterricht in Grund- bzw. Leistungskursen in getrennten Kursgruppen angeboten. Laut Verordnung sind aber auch „Huckepack-Kurse“ möglich, also eine Kombination aus fünfstündigem und dreistündigem Unterricht (vgl. EB-VOGO 10.4).

Kerncurricula
Das Kultusministerium hat zugesagt, dass die Kerncurricula entsprechend der unterschiedlichen Stundenzahl überarbeitet werden. Die Grundkurse haben immerhin eine Stunde weniger Unterrichtszeit pro Woche zur Verfügung als früher. Den Leistungskursen muss die fünfte Stunde als zusätzliche disponible Unterrichtszeit für vertieftes und selbstständiges Lernen zur Verfügung stehen. Eine Ausweitung des Stoffs soll (und darf!) es nicht geben.

Eine Reihe überarbeiteter KC liegen bereits vor, andere sind in Arbeit bzw. befinden sich in der Anhörung (vgl. db2.nibis.de/1db/cuvo/ausgabe/index.php.

In diesem Zusammenhang haben die Fachkonferenzen eine wichtige Aufgabe, da sie unter Beachtung der rechtlichen Grundlagen und der fachbezogenen Vorgaben des jeweiligen KCs einen (neuen) schuleigenen Arbeitsplan (Fachcurriculum) erarbeiten müssen (vgl. auch EB VOGO 10.7).

Änderungen im Stundenplan
Es wird mit Sicherheit stundenplantechnische Veränderungen geben. Viele Gymnasien und die meisten Gesamtschulen fahren das pädagogisch bewährte Doppelstundenmodell. Einzelstunden im Plan sind dort die absolute Ausnahme. Die eleganteste Lösung, um drei- und fünfstündige Kurse in das System von Doppelstunden einzufügen, dürfte die Einführung von A- und B-Wochen (oder geraden und ungeraden Wochen) sein. Der Grundkurs wird dann in der A-Woche zweistündig und der Leistungskurs vierstündig unterrichtet, in der B-Woche der Grundkurs vier- und der Leistungskurs sechsstündig. Es gibt also einen 14-täglichen Wechsel. Man kann die Stunden in einem Übersichtsplan auszählen und wird feststellen, dass über das gesamte Schuljahr verteilt die Summe der Stunden die gleiche ist, als würde man pro Woche drei bzw. fünf Stunden unterrichten.
Eine andere Möglichkeit ist, bestimmte zweistündige Leisten im Plan in zwei Einzelstunden aufzuteilen, in der dann die jeweils dritten bzw. fünften Stunden platziert werden. Es gäbe dann allerdings wieder jeweils eine Einzelstunde pro Woche.
Auf alle Fälle keine leichte Aufgabe für die Planerinnen und Planer. Und auch die Schülerinnen und Schüler und die Kolleginnen und Kollegen werden sich an das neue System gewöhnen müssen.

Keine zweistündigen Ergänzungsfächer mehr
Eine gewisse organisatorische und pädagogische Herausforderung bringt die Abschaffung der bisher zweistündigen Kurse der Ergänzungsfächer, die in der Regel nur ein Schuljahrgang zu belegen waren. Zweistündig laufen nach der neuen Regelung nur noch Sport und das Seminarfach (s. u.). Die Fächer, die bisher als Ergänzungsfach auch zweistündig angeboten wurden, gibt es in Zukunft nur als dreistündige Grundkurse. Das betrifft die Fächer Kunst, Musik, Darstellendes Spiel, Geschichte, Politik-Wirtschaft, Erdkunde, Religion, Philosophie und Werte und Normen.

Für diese neue Vorschrift gibt es je nach Größe des jeweiligen Sek-II-Systems verschiedene organisatorische Lösungen.
Variante 1: Im jeweiligen Grundkurs werden P3-, P4- und Auflagen-Schülerinnen und -schüler gemeinsam unterrichtet, z. B. in Politik-Wirtschaft. Das kann durchaus motivierend sein, denn es wird dann keine reinen Auflagenkurse mehr geben, die zu unterrichten nicht immer ein Vergnügen war. Umgekehrt dürfte auch der Unterricht in eher heterogenen Lerngruppen nicht einfach sein. Organisatorische Schwierigkeit dieses Modells: Die Auflagenschülerinnen und -schüler müssen diese Fächer nur ein Schuljahr belegen. Das müsste aus didaktischen Gründen in der Regel der 12. Jahrgang sein. Es besteht die Gefahr, dass dann in Jahrgangsstufe 13 die Kurse zu klein werden. Auflagenschülerinnen und -schüler erst in 13 in einen seit einem Jahr laufenden Kurs einsteigen zu lassen, verbietet sich.
Variante 2: Die Schule bietet auch dreistündig reine Auflagenkurse an, die dann im Jahrgang 12 oder 13 gebildet werden.
Die 3. Variante: Man mischt die Systeme 1 und 2, denn je nach Zahl der Schülerinnen und Schüler, die ein bestimmtes Fach als Auflage anwählen, ist es unterschiedlich schwierig, gemischte oder reine Auflagenkurse zusammenzustellen.

Seminarfach nur noch drei Halbjahre
Hinsichtlich der Belegverpflichtungen ist neu, dass die Fächer Religion, Werte und Normen oder Philosophie nur noch zwei Schulhalbjahre (bisher waren es vier) und das Seminarfach nur im ersten, zweiten und dritten Schulhalbjahr der Qualifikationsstufe belegt werden müssen, vgl. Anlage 2 der VOGO).
Es bleibt dabei, dass das Seminarfach auch in Kombination mit einem anderen Fach angeboten werden kann (vgl. EB-VOGO 10.5), also z. B. an eines der Leistungsfächer gekoppelt wird. Dabei darf das Seminarfach natürlich nicht das Curriculum des Faches fortsetzen, an das es organisatorisch angebunden ist, sondern den curricularen Vorgaben der Verordnung für das Seminarfach folgen.

Schulen, in denen bisher die Seminarfachleiterinnen bzw. Seminarfachleiter die Tutor-Aufgaben übernommen hatten, müssen ihr Tutorensystem ändern, weil im Halbjahr des Abiturs (13.2) das Seminarfach nicht mehr stattfindet.
Über das Tutorensystem der Schule beschließt die Gesamtkonferenz.

Zusammenstellung: Barbara Hallerbach, Henner Sauerland